Die dezentrale Klärschlammverwertung zur Erzeugung von thermischer Energie leistet einen wichtigen Beitrag zur Entsorgungssicherheit und zum Umweltschutz. Der Einsatz von Dampfturbinen ist dabei essentiell. Im Interview erklärt unser Projektleiter Wolfgang Ehrich die aktuellen Entwicklungen und Perspektiven auf diesem Gebiet.

1. Die Novellierung der Klärschlammverordnung sowie der Düngeverordnung und eine daraus resultierende Verringerung der in der Landwirtschaft verwertbaren Klärschlammmengen zwingen die Betreiber von Kläranlagen zu einem Umdenken. Wie wirkt sich das auf die Branche der Dampfturbinenhersteller aus?

Mit der Umsetzung der Novellierung wird sich der Trend von der stofflichen hin zur thermischen Verwertung von Klärschlamm fortsetzen und verstärken. Während früher der Nutzen als Dünger für die Landwirtschaft ein wichtiger Aspekt war, findet heute vor dem Hintergrund der zunehmenden Belastung mit beispielsweise Mikroplastik, Schwermetallen, Medikamentenrückständen oder  resistenten Bakterienstämmen der entstehende Schaden für die biologischen Kreisläufe mehr Beachtung.  Die Novellierung gibt den Kläranlagenbetreibern vor, bereits bis 2023 entsprechende Konzepte vorzulegen. Dies macht sich in einer zunehmenden Anzahl von Planungen für Klärschlammverbrennungsanlagen und die entsprechenden Dampfturbinen bemerkbar.

2. Warum ist die Klärschlammverwertung aus Sicht des Klimaschutzes wichtig? Und wie können Dampfturbinenhersteller hier einen Beitrag leisten?

Klärschlammverwertung bedeutet auch, dass die Bestandteile sinnvoll weiter genutzt werden können. So bekommt beispielsweise die Rückgewinnung von Phosphor eine immer größere Bedeutung und ist gemäß Klärschlammverordnung ab 2029 durchzuführen. Bei der thermischen Verwertung findet neben der Rückgewinnung von Ressourcen und der verringerten Belastung von Böden in der Landwirtschaft auch die Nutzung der im Klärschlamm gespeicherten Energie Beachtung. Getrockneter Klärschlamm hat etwa den gleichen Heizwert wie getrocknete Braunkohle und eignet sich somit zur effektiven Erzeugung von Wasserdampf. Kommen dann entsprechend effiziente Dampfturbinen zum Einsatz, kann an anderer Stelle der CO2 Ausstoß eingespart werden.

3. Erklären Sie uns den Prozess, wie Klärschlamm und Dampfturbinen zusammenkommen?

Aktuell geht die Entwicklung hin zur Verwertung in Monoverbrennungsanlagen, das heißt der getrocknete Klärschlamm wird nicht in bestehenden Kraftwerken mitverbrannt, sondern in hierfür optimierten Wirbelschichtfeuerungsanlagen verbrannt. Bei diesem Verfahren, einer autothermen Verbrennung ohne Zusatzbrennstoffe wird Wasserdampf erzeugt. In der Dampfturbine wird die Energie im Wasserdampf in Bewegung gewandelt und dann im Generator in elektrische Energie umgewandelt.

4. Welche Herausforderungen/Vorteile kann der Bau einer Turbine für die Klärschlammverwertung mit sich bringen?

Bei der Umsetzung von thermischen Verwertungskonzepten werden maßgeblich  wirtschaftliche Aspekte in der Planungsphase berücksichtigt. Dies bedeutet, dass zur geplanten Verbrennungsanlage eine passende Dampfturbine gefunden werden muss und nicht umgekehrt. M+M hat mit seiner Erfahrung in der Realisierung kundenspezifischer Anforderungen hier immer gerne die Herausforderung angenommen, die für den Gesamtprozess beste Lösung zu finden.  

5. Ist die Verbrennung von Klärschlamm auch international ein Thema oder beschränken sich die Anfragen auf den deutschsprachigen Raum.

Aktuell konzentrieren sich die Aktivitäten bei M+M auf den deutschsprachigen Raum, da sich allein in Deutschland über  30 Monoverbrennungsanlagen in der Planung befinden. Aber wir hoffen, dass wir auch international hier aktiv werden können.